Die Bank der Neapolitaner…
…und der wahre Schatz dieser Bank
während der Vorbereitung für den Pizzateig schweiften meine Gedanken zu einer Erinnerung an ein Erlebnis mit meiner Tante in Salerno ab.
Ich nahm während dessen Mehl zur Hand. Ich löste die Würfelhefe in warmem Wasser in einer Tasse auf und gab ein Esslöffel Salz dazu, dann fing ich an die Mehlmischung zu kneten.
Und meine Gedanken nahmen ihre Lauf…
Wie gewohnt saß meine Familie und ich unter der Zitronenpergola und aßen Tantes selbstgemachte Pizza. Es war eine schöne Sommernacht und da sagte meine Tante zu mir: „Morgen ziehen wir uns beide sonntäglich an und gehen zusammen nach Neapel.“
Super dachte ich, dann gehen wir dort Pizza essen…
Meine Tante wählte für den Neapelausflug ihr selbstgeschneidertes Kleid, welches in einem leichtem Blau mit dezenten blassgelben kleinen Blumen bedruckt war. Es betonte sehr gut ihre zarte fast zerbrechliche Figur. Ihr fiel das leicht gelockte braune Haare auf die Schulter und umrahmte ihr schönes ebenmäßiges Gesicht. Dazu hatte sie ihre Seidenstrümpfe, die mit einer Strumpfnaht versehen waren und schwarze Pumps an. Passend dazu wählte sie ihre schwarze Lacktasche aus. Diese Tasche nahm sie nur für besondere Anlässe mit.
Ich wählte für diesen Tag meine mit Strass besetzten Sandalen aus und trug dazu mein dunkelblaues Marinekleid. Für Neapel musste es bequem sein, denn die Fahrt ging eine gute Stunde von Salerno nach Neapel und im Zug war es im Sommer sehr heiß, so wie in einem Backofen.
Ich dachte – naja in diesem eleganten Aufzug, Pizza essen in Neapel…
In Neapel angekommen gingen wir gleich zu Mary und holten uns eine Sfogliatella. Wir wurden von der Inhaberin auch herzlichst begrüßt und meine Tante tauschte mit Mary wie gewohnt noch ein paar Worte aus.
Dann steuerten wir die Via Toledo hoch, damals hieß diese Straße eine zeitlang sogar Via Roma.
In der Via Toledo hielten wir vor einem Gebäude mit einer großen breiten Treppe. Ich schaute zu meiner Tante hinauf und ich sagte zu ihr. „Ist das jetzt eine neue Pizzeria?“ „Was tun wir hier überhaupt?“ Sie meinte: „Nein, aber hier bringen die Pizzaioli ihr verdientes Geld hin.“
Ich fragte nicht weiter, denn wir standen vor der Tür dieses Gebäude und zwei Herren in Uniform und weißen Handschuhen öffneten uns die Eingangstür. Ich dachte in diesem Moment, wo sind wir denn hier gelandet. Ich schaute meine Tante fragend an und sie schaute mit ihren großen braunen Mandelaugen zurück. Ich sah ein Blitzen in ihren Augen was ich so noch nie bei ihr gesehen hatte. Der Raum war riesig und die Wände und Decken waren mit wundervollen Fresken bemalt, welche mit Deckenstuck umrandet waren. Für mein Geschmack schon fast zu üppig. Eine bunte blumenverzierte Glasdecke erhellte den großen Raum. Es gab unendlich viele Schalter und dahinter standen Mitarbeiter, welche ebenfalls eine Uniform trugen und das Geld mit weißen Handschuhen zählten. Ich fing an die Schilder langsam zu lesen und meine Tante steuerte gezielt auf den Schalter zu, bei welchem „Kontoeröffnung Ausland“ stand. Ich hatte das Gefühl neben einer Grand Dame zu stehen. Wir nahmen Platz auf einer wunderschönen hölzernen Sitzbank, bis wir aufgefordert wurden, in einem bequemen Sessel vor einem sehr großen prunkvollen Schreibtisch Platz zu nehmen. Es verging gut eine Stunde bis alles in die Wege geleitet war und der Bankangestellte, welcher keine Uniform und keine Handschuhe trug, erklärte meiner Tante höflich die Vertragsbedingungen. Während der Abwicklung der Formalitäten brachte man uns Wasser, Kaffee und Schokolade. Vor allem wurde meine Geduld gelobt wie artig ich sei. Ganz ehrlich ich traute nicht einmal zu atmen. Denn so eine Bank hatte ich nie zuvor gesehen. Nirgendwo. Nicht einmal in Basel oder Zürich, wo mein Vater Geld für seinen Einkauf eintauschte. Als der Vorgang beendet war wurden wir sehr höflich verabschiedet. Wieder öffneten uns zwei Männer in Uniform und weißen Handschuhen die Ausgangstür der Bank mit einer sehr gekonnten und eleganten Geste um wieder zur Via Toledo zu gelangen.
Ich lief stumm neben meiner Tante und musste dieses Erlebnis erst einmal verarbeiten. Sie hatte sich ein Konto für ihre Selbständigkeit eröffnet. Von nun an machte sie stoffbezogene Knöpfe für Frauenblusen, Kleider und Mäntel. Das hatte sie mir stolz auf dem Rückweg erzählt.
Die Ware ging nach Übersee und von da aus in die ganze Welt. Dafür brauchte sie ein internationales Konto und entschied sich für diese prunkvolle Bank.
Danach feiert wir ihren neuen Job an einem Pizzastand und fuhren wieder mit dem Zug Richtung Salerno.
Dieses Erlebnis war so eindrucksvoll, dass ich ihn zu meinem Ritual machte, wenn ich zu Besuch nach Salerno fuhr um meine Tante zu besuchen. Dann wechselte ich immer meine Deutsche Mark in Italienischer Lire in dieser wohl ältesten Bank dieser Welt um, welche sich im Palazzo Zevallos Stigliano befindet. Die Banker trugen immer noch eine Uniform und fassten das Geld mit weißen Handschuhen an. Nur ich betrat die Bank mit meiner Reisetasche, Jeans, T-Shirt und meinen mit Glitzersteinen besetzten Sandalen aus Positano. Außerdem hatte ich 15 Stunden Zugfahrt von Lörrach nach Neapel hinter mir. Nun betrachtete ich diese Räumlichkeiten aus der Jugendstilzeit die sich vor mir öffneten nicht mehr mit Kinderaugen. Ich ging selbstbewusst auf den Wechselschalter Ausland zu und war immer noch fasziniert von dem schönen Marmorboden mit den Intarsien. Dem vielen Stuck, Gold und Fresken welche die Decken, Wände und Balustraden schmückten. Ich wusste auch sobald die Herren in Uniform mit den weißen Handschuhen mir die Ausgangstüre öffneten und ich die Schwelle zur via Toledo wieder betrat, war ich wieder in meinem gewohnten Neapel. Zwischen hupenden Fahrzeugen, Polizei und dem täglichen neapolitanischen Wahnsinn welcher diese Stadt so einzigartig macht.
A B E R . . .
…der wahre Schatz dieser Bank befindet sich in den oberen Räumlichkeiten der Bank. Ein Raum dessen Wände in einem engelsblau gehalten und mit dem Deckenstuck nicht gegeizt wurde. Hier hängt das Gemälde „l’ultimo di Caravaggio“ – il Martirio di sant’Orsola. Das Herzstück dieses Gebäudes, welches für das Rot des Meisterwerks das Blut einer besonderen Insektenart als Farbpigment verwendet wurde.
Das Kunstwerk kam in die Hände der Bank, weil eine neapolitanische Signora, Schulden bei dieser Bank zu begleichen hatte. Sie gab der Bank das Meisterwerk, damit ihre Schulden erlassen wurden, ohne vorher das Bild von einem Gutachter prüfen zu lassen. Die Bank erließ ihr die Schuld und wertete es als minder ein als es dem tatsächlichen Wert entsprach. Der Wert dieses Gemäldes geht in die Millionen und es wird zur Zeit behauptet, dass es jetzt Neapel verlassen wird und in einem anderen noch unbekannten Ort einen neuen Platz bekommt. Sollte diese Stadt dieses Meisterwerk für Geld eintauschen, wird das Herz Neapels für immer bluten, denn die Bank wurde für immer geschlossen.
Neapel ist und bleibt eine wahre Fundgrubefür Entdecker jeder Art die den besonderen Reisekitzel mögen…
…und nun zum Rezept für den Pizzateig:
1 Würfelhefe
1 Kilo Mehl
1 Esslöffel Salz
Die Würfelhefe in gut warmem Wasser auflösen und in das gehäufte Mehl und Salz kneten. Dazu verwende ich die Knethacken meines Handmixers. Ich gebe solange warmes Wasser hinzu bis sich die Masse zu einem festen Teig bildet. Eine Handvoll Mehl lasse ich immer wieder übrig, damit ich am Schluss falls der Teig nicht fest genug ist nochmals den Teig mit dem Mehl nacharbeiten kann und danach den Teig an einem warmen Ort mehrmals aufgehen lassen kann. Der Teig ist dann gut, wenn ich mit dem Finger in den Teig drücke und der Abdruck bestehen bleibt.
Mein Belag bleibt traditionell: Tomaten,Mozzarella, Origano und Kapern.
Das ist das Rezept meiner Tante – das Einzigartige war nur, das sie die Pizza in ihrem Holzofen und in ihren Backblechen aus Kupfer die Pizza bug. Die Pizza wurde durch dieses Blech besonders knusprig und bekam durch die heimischen Hölzer eine besondere Geschmacksnote.